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Entdeckungsreise durch Nordwestgriechenland

Das Gebirge unterhalb der albanischen Grenze in der Provinz Ipeiros ist touristisch noch nicht erschlossen - Manche Dörfer sind nur über Pisten mit der Außenwelt verbunden - Das ideale Terrain für ein Auto wie den Subaru Forester

"Lass uns umkehren", bittet Linde. Sie hat richtiggehend Angst. "Aber wir sind jenseits des point of no return", lüge ich ein bisschen. Tatsächlich haben wir knapp 6 Kilometer Piste hinter uns und noch fast 20 vor uns. Allerdings: Wenn wir in diesem Wolkenbruch hier stecken bleiben, holt uns in den nächsten zwei oder drei Tagen niemand raus. Warum aber sollten wir stecken bleiben? So krieche ich in der Reduktionsstufe des ersten Gangs mit unserem neuen Subaru Forester weiter. Noch eine Furt mit fast 30 Zentimetern Wasser, und wir sind in Samarina, dem höchsten Ort Griechenlands, 1.600 Meter über Normalnull.

Es begann alles so richtig schön. Von Igoumenitsa, wo wir die Fähre von Venedig nach Patras verlassen hatten, waren wir bei strahlendem Sonnenschein erst nach Ioannina, der Hauptstadt der Provinz Ipeiros, gefahren. Diese hübsche kleine Universitätsstadt liegt an einem großen See mit einer Insel, auf der es eine niedliche Siedlung und mehrere Klöster gibt. Stadt und See wollten wir immer schon kennen lernen, seit wir mit dem Geländewagen an beiden vorbei über den Katara-Pass hinüber zur Ägäis fuhren.

Endlose LKW-Kolonnen machen das Vorankommen schwer

A propos "Geländewagen": Wer bei der Ankunft im Fährhafen von Igoumenitsa bei den letzten ist, die aus dem Schiffsbauch ans Tageslicht dürfen, hat eine unendlich lange Schlange von Lastwagen vor sich, die auf der gebirgigen Strecke mit mehren Pässen hinüber zockeln in die Länder des Ostens - Bulgarien, Rumänien, Türkei, Iran, Libanon, Syrien... Und dazwischen verschreckte Europäer, Türken und Orientalen in ihren meist überladenen PKWs, die mit der endlosen Abfolge von Kurven und Haarnadelkehren schlicht überfordert sind.

Da war das Überholen mit dem trägen Geländewagen immer ein akrobatischer Akt. Man muss mich oft für einen potenziellen Selbstmörder gehalten haben. Und jetzt mit dem Forester: Ich husche, die Gänge etwas weiter ausdrehend als sonst, an einem LKW-Pulk nach dem andern vorbei. Selbst Linde findet das zunehmend schön - im Gegensatz zu früher, als sie litt, wenn ich in einer Rechtskurve an einem Truck vorbei dieselte.

Das Orakel von Dodona ist älter als Delphi

Doch zurück zu Ioannina. Die wenigen Hotels in der Stadt gefielen uns nicht, und wir waren schon halbwegs entschlossen, weiter zu fahren. "Lass uns noch einen Gang durch die Gassen innerhalb der Mauern des Kastells machen", schlug Linde vor. Und siehe da, dort fanden wir die Übernachtungsmöglichkeit, die uns glücklich machte. Ein kleines Hotel, an einem Sträßchen kaum breiter als ein Auto, nur einige Zimmer, aber nett, bequem und preiswert.

Wir sind gleich zwei Tage geblieben, haben mit der Fähre die Insel besucht, sind zu einem der ersten und wichtigsten Orakel Griechenlands (Dodona, viel älter als Delphi und in der Frühgeschichte Griechenlands auch bedeutender!) gefahren und erst dann nach Norden aufgebrochen.

Unser erster Ziel war die Zagoria, eine wild-romantische Gebirgswelt, die auch heute noch von Vlachen, einem slawischen Stamm, besiedelt ist. Vor vier oder fünf Jahren waren wir schon einmal in dieser Region kurz unterhalb der Grenze zu Albanien und - neben einigen neuen Wanderungen, die wir geplant hatten - war es die Neugier, die uns zu einem zweiten Besuch dieser Ecke Griechenlands bewegte. Wir wollten sehen, was sich seither verändert hat. Immerhin hat sich der Tourismus in Hellas deutlich entwickelt und auch die Zagoria hätte davon betroffen sein können. Um es gleich zu sagen: Die Region ist nach wie vor unverdorben, fast unberührt - ein Paradies für Bergwanderer, Kletterer und Rafter. Denn der hier entspringende Voidomatis sowie der Aoos sind ideale Gewässer für diesen Sport.

Die Vikos-Schlucht bietet ein grandioses Panorama

Kaum ein "Europäer" (das sind in den Augen der Griechen alle, die nördlich der Alpen leben!) kennt die Schlucht von Vikos. Dabei hätte sie durchaus einen Eintrag im Guiness-Buch verdient: die tiefste, längste, steilste Europas. Mit Wänden, die an manchen Stellen bis zu 1.000 Meter fast senkrecht aufsteigen. Ein einzigartiges, atemberaubendes Szenario. Und doch waren wir, als wir vom gleichnamigen kleinen Dörfchen Vikos in sie hinab stiegen, ganz offensichtlich an diesem Tag die einzigen Besucher.

Dieses beglückende Gefühl mussten wir am späten Nachmittag teuer bezahlen, als es an den Aufstieg zurück nach Vikos ging: 500 Meter Höhendifferenz auf einem schmalen und steilen Schlängelpfad, die Sonne mitten ins Gesicht. Da war die Rückfahrt im klimatisierten Forester zu unserem Hotel im Gebirgsort Megalo Papingo wie ein Geschenk...

Noch weiter im Norden, nun wirklich genau vor den albanischen Bergen, liegt die Kleinstadt Konitsa, Ausgangspunkt für die nächste Etappe unserer Erkundungsfahrt in das Smolika-Massiv mit dem zweithöchsten Berg des Landes (2.637 Meter). Aus einigen wenigen englischsprachigen Berichten im WWW wissen wir, was auf uns wartet: Unberührte Natur, schlecht ausgebaute und kaum beschilderte Wege, keine Tankstellen, arme Dörfer, eine ungewohnte, karge Vegetation. Gute Karten gibt es nicht, und ich wundere mich immer noch, wie ich dennoch einige Orte gefunden habe.

Das Smolika-Massiv ist noch gänzlich unerschlossen

Zunächst entpuppt sich die auf der (schlechten) Karte als Piste eingezeichnete Strecke als schmales, aber frisch asphaltiertes Band. Bis dann nach einer Kurve unversehens für Kilometer wieder Piste angesagt ist. Seit einer Stunde zieht uns unser Subaru Kurve um Kurve höher hinauf ins Bergland. Niemand kommt uns entgegen, niemand überholt uns, wir müssen niemanden überholen. Das Handy signalisiert "Netzsuche", wir sind wie aus der Welt gefallen.

Irgendwann kommen wir in ein ärmliches Dorf. Wir haben richtig Hunger, und da macht es sich gut, dass unter einer ausladenden Kiefer mindestens 30 Leute an derben Tischen sitzen. Ein Restaurant, tatsächlich. Doch die Dorfbewohner essen hier nicht, weil sie Geld zum Prassen haben. Es ist der erste Todestag eines der Ihren. Da zahlen die Hinterbliebenen. Wir bekommen etwas ab vom schlichten Mahl. "Unsere Gegend ist arm, der Boden ist schlecht, es wächst wenig hier", erklärt mir der über seinem Holzkohlegrill schwitzende Wirt. Tatsächlich, so lese ich später, zeichnet sich das Smolika-Massiv durch eine morphologische Besonderheit aus: Der Boden ist geradezu "giftig" für normale Vegetation und so hat sich hier eine besondere Art, die "Serpentinvegetation" herausgebildet.

Einige Kilometer weiter. Links biegt eine Piste ab. Sie ist offensichtlich erst in jüngster Zeit neu präpariert worden. Auf einem Erdhügel liegt ein Wegweiser. "Samarina" lese ich, nachdem ich ihn umgedreht habe. Und in diesem Moment machen die Wolken, die in den letzten zwei Stunden immer tiefer auf uns herunter drücken, die Schleusen auf. Ich fahre los.

"Lass uns umkehren", sagte Linde. Aber das ging ja nicht. Der besagte point of no return. So kamen wir also irgendwann gegen Abend in Samarina an. Strömender Regen, die Tische unter den großen Markisen der zwei, drei Kneipen am Dorfplatz verwaist, die Luft kalt und feucht. Geduckt rannten wir zur nächstbesten.

"Wie wird das Wetter?", frage ich den Wirt. Er schiebt ungerührt weiter Lammfleisch auf einen mannshohen Grillspieß und lacht. "Es bleibt so für die nächsten Tage". Nichts also mit der geplanten Wanderung auf den Gipfel des Smolika. Was sollen wir überhaupt noch hier?

Wir bleiben schließlich doch. Denn erstens ist die nächste größere Siedlung, in der wir ein Hotel vermuten dürfen, unendlich weit weg. Und zweitens ist Samarina ein Wallfahrtsort, den jeder Grieche kennt. Also muss es sich doch lohnen, ihn zu erkunden.

Wir finden ein Hotel. Der Besitzer spricht besser Deutsch als ich Griechisch. Kein Wunder. Er hat 20 Jahre "beim Benz" in Stuttgart am Band gestanden. Wir sind die einzigen Gäste.

Die Wallfahrtkirche von Samarina ist berühmt. Auf dem Dach der Apsis steht eine ausgewachsene Kiefer. Woher bezieht sie Wasser und Nährstoffe? Wie schafft sie es, auf den Dachplatten Halt gegen Wind und Schnee zu finden? "Ein Wunder", gibt mir eine alte Frau auf meine unausgesprochenen Fragen Antwort und schlurft achselzuckend weiter.

Intuitiv finde ich die Straße, die uns aus diesem verlassenen Winkel Griechenlands hinaus führt, denn einen Wegweiser suche ich vergebens. Und nach vielen Stunden konzentrierter Kurbelei am Lenkrad sind wir im Pilion

Das ideale Gefährt für dieses Land

Griechenland und besonders "unsere" Halbinsel Pilion ist das ideale Terrain für den Forester (den man konsequenter Weise dort auch häufig sieht). Es geht pausenlos rauf und runter, Kurve reiht sich an Kurve, kaum eine Gerade ist länger als 200 Meter. Da macht es tierisch Spaß, mit den Möglichkeiten des Vorgeleges zu spielen. In der Reduktionsstufe steht für diese Passagen ein jeweils unglaubliches Drehmoment zur Verfügung, das man dank der phantastischen Straßenlage auch ausnutzen kann. Und geht man eine enge Kurve einmal zu schnell an, schiebt der Wagen bei normaler Beladung sanft über alle vier Räder nach außen. Das hat Linde zwar regelmäßig zu einer strengen Rüge wegen meiner unnötigen Eile veranlasst. Aber Angst hat sie deswegen nicht gehabt.

Der Forester ist kein Geländewagen, natürlich nicht. Aber da, wo ich hin kommen wollte, kam ich hin. Auch im Gewitterregen, wenn das Wasser in Strömen über die Piste schoss und sie wie einen Gebirgsbach aussehen ließ. Da habe ich dann schon mal einen Stollen aus dem Profil der Reifen an einem scharfkantigen Felsbrocken hängen lassen, aber vorwärts ging es immer. Und die hohe Bodenfreiheit, die zentrale Visko-Sperre sowie das teilsperrende Hinterachsdifferenzial haben diesen Vorwärtsdrang nachhaltig unterstützt.

Eine "Niederlage" allerdings musste ich einstecken: Bei einem gemeinsamen Ausflug mit einem Freund setzte dessen 4x4 Skoda Octavia auf. Die Ölwanne quittierte das mit krachender Entrüstung und spontanem Durchfall. Kein Problem, dachte ich und griff zum Bergegurt. Und dann habe ich zum ersten mal im Leben den Geruch einer qualmenden Kupplung in der Nase gehabt. Der Forester schaffte es einfach nicht, den Octavia die mächtige Steigung hinauf zu schleppen. Ein freundlicher Grieche mit einem Suzuki Samurai hat uns aus der unangenehmen Situation befreit. Mit seiner wesentlich höheren Reduktion gelang ihm dies, wenn auch mit knapper Not. Nun gut, habe ich mich getröstet, der Forester ist nun mal kein richtiger Geländewagen. Und so gesehen nicht das Beste aus beiden Welten. Aber fast...

Günter Mallmann

Reiseberichte